Die Geschichte des Rhein-Ruhr-Marathons
Der Rhein-Ruhr-Marathon gehört gemeinsam mit Berlin und Frankfurt zu den „dienstältesten“ City-Marathons in Deutschland. Seit 1981 bewegt der Lauf ganz Duisburg. Inzwischen haben mehr als 100.000 Teilnehmer herausgefunden, warum es am Rhein (und an der Ruhr) so schön ist. Der Start ist im größten Sportpark Deutschlands. Das Ziel liegt in der Schauinsland-Reisen-Arena, wo sonst die Fans des MSV Duisburg ihre Mannschaft feiern.
485 Startinnen und Starter waren bei der Premiere dabei. Inzwischen laufen jährlich etwa 6000 Frauen und Männer am großen Strom. Lange gab es nur den Klassiker über 42,195 Kilometern im Angebot. Inzwischen ist der Rhein-Ruhr-Marathon mehr als nur ein Rennen: Der Inline-Marathon, der Halbmarathon, der Staffelmarthon und die Deutschland-Trophy der Handbiker sowie der AOK-Schülerlauf und die Ekidenstaffeln der Schulen machen das ganze Duisburg-Erlebnis aus.
Die Bestzeiten wurden vom Ungarn Tibor Baier (2:14,33) und Irina Bogacheva aus der ehemaligen UdSSR (2:35,09) 1989 gelaufen. Der Rhein-Ruhr-Marathon war damals offizieller Wettkampf der Universiade in Duisburg.
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Am Anfang waren 8000 Mark. Erich Fuchs, das frühere Mitglied des Vorstands von Eintracht Duisburg, erinnert sich an den Beginn des Rhein-Ruhr-Marathons. Eben jenes Geld hatte der damalige Sportamtsleiter Hermann Eichhorn in seinem Veranstaltungsetat noch übrig. Was damit anfangen? "Niemand wollte das Geld", so Erich Fuchs. Da habe sein Verein zugegriffen und überlegt: "Wir veranstalten einen Marathon." Am 18. September 1981 fiel im Sportpark Wedau der Startschuss zu einem Sportereignis, das inzwischen zu Duisburg gehört wie der Zoo oder der Hafen.
Duisburgs damaliger Oberbürgermeister Josef Krings griff persönlich zur Pistole mit den Platzpatronen. Die Geschichte des Rhein-Ruhr-Marathons verzeichnet Manfred Brucks von der GW Wesel-Flüren mit einer Zeit von 2:26:36 Stunden als ersten Sieger. Bei den Frauen - 17 waren unterwegs - gewann Mary Anne Christen-Meyer (2:53,50) von der LG Jägermeister Bonn. Von den 485 Starterinnen und Startern erreichten 385 das Ziel.
Auf den ersten Metern herrschten um 16 Uhr genau 21 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von 65 Prozent. Beim Zieldurchlauf waren es dann 16 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von immer noch 65 Prozent. Genau gearbeitet haben sie damals bei der Eintracht. Heribert Mannebach, Erich Fuchs und Günther Schneider nahmen die Premiere sehr ernst. Ein Marathon verlangt danach. Der WAZ-Mitarbeiter Bernhard Messer beschreibt die Organisatoren in seiner persönlich gehaltenen Nachschau als "Perfektionisten".
So also ging's los. Ein wenig blauäugig, wenn man an das Startkapital von 8000 Mark denkt. Mit viel Enthusiasmus und einem geringen Überblick auf die noch kommenden Probleme. So wie alle großen Geschichten. Wer würde auch sonst so ein kompliziertes Geschäft wie einen Marathon direkt durch die Stadt anfangen? Niemand, der bereits alle Verkehrsprobleme im Blick hat, die Versorgung der Läufer unterwegs, die Bereitstellung von Helfern und Sanitätern. Und erst recht nicht die ganzen Kosten.
Mit den 8000 Mark würde man nicht weit kommen, das stellten die mutigen Eintrachtler schnell fest. Thyssen Bautechnik konnte Erich Fuchs als Sponsor gewinnen. Damit waren die ersten Konstanten bereits gesetzt: Rhein-Ruhr-Marathon sollte der Klassiker heißen, denn schließlich ging es über die Ruhr (in Meiderich) und gleich zweimal über den Rhein (in Ruhrort und Rheinhausen). Fast ebenso wichtig: Mit Thyssen war eine Firma gefunden, die Freude an dem Ereignis hatte und bis heute behielt. "Unser Slogan lautete: Rhein-Ruhr-Marathon Duisburg - Thyssen ist dabei", erinnert sich Erich Fuchs.
Heinz-Helmut Gerecke, der damals noch bei der Duisburger Polizei in Dienst war, kann noch berichten, warum man den Weg durch 12 Stadtteile erst in Richtung Süden und dann über Hochfeld, nach Rheinhausen, Homberg, Ruhrort, Meiderich und zurück zum Sportpark laufen ließ. Es waren schlicht praktische Erwägungen. Die Wegführung ermöglichte mehr Rechtskurven und auf so einfache Weise ließen sich Streckenposten und Absperrungen sparen. An was man alles denken muss, wenn man einen Marathon veranstaltet!
Während man plante, sich vom Hoechst-Marathon durch Frankfurt als Besucher beeindrucken zu lassen, kam den Pionieren ein Furcht erregender Gedanke: Was ist eigentlich, wenn nur 100 Leute mitmachen? Wie kommt das an, wenn wir die Stadt für einen Samstag in den Ausnahmezustand versetzen, für eine kleine Schar von "Verrückten", die sich über 42,195 Kilometer durch Duisburg quälen wollen? Oberbürgermeister Josef Krings, der die Schirmherrschaft übernommen hatte, beruhigte die Verantwortlichen. "Wir ziehen das durch", signalisierte er der Eintracht.
Mit dieser Rückendeckung ließ es sich entspannter den spätsommerlichen Samstag angehen. Die Befürchtung erwies sich als unbegründet. Hoechst hatte im Mai zwar fast 3170 Aktive an die Startlinie stellen können. Berlin, das sich zwei Wochen nach dem Rhein-Ruhr-Marathon aus dem Grunewald in die ganze Stadt gewagt hatte, meldete über knapp 3500 Teilnehmer. Duisburg aber war dabei, hatte sich seinen Startplatz unter den City-Läufen gesichert. Nebenbei: Das Vorbild aller dieser Massenbewegungen ist natürlich der New-York-Marathon, der 1976 Premiere feierte.
Duisburg hatte am 18. September seinen guten Anfang gemacht, durfte sich - da der Hoechst-Marathon nicht wirklich durch die ganze Stadt ging - die Ehre erster City-Marathon in Deutschland zu sein, ans Revers heften. Noch wichtiger vielleicht: Das Rennen fand allgemein großen und positiven Anklang. In Duisburg, wo sich viele Zuschauer an der Strecke das Ereignis nicht entgehen ließen, bei den helfenden Vereinen, zu denen auch der TuS Neumühl oder den TV Homberg gehörten, in der Politik und ganz klar in der Presse: Horst Leroi, der damalige NRZ-Sportredakteur aus Duisburg, fuhr den kompletten Weg mit dem Fahrrad ab, beklagte nachher, dass sein Sitzfleisch schmerzte, fasste jedoch seine Eindrücke so zusammen: "Es hat sich gelohnt." Den Bundesliga-Sieg des MSV über Eintracht Frankfurt vor 8000 Zuschauern im Wedau-Stadion ordnete Leroi nachrangig ein: "Die größeren Sportler waren nebenan unterwegs."
Viel Lob gab es auch über die Stadtgrenze hinaus: Die Eintracht erhielt jede Menge Zuspruch von den Teilnehmern, die neutralen Beobachter befanden die Organisation als gelungen. Kein Wunder also, dass die Mitarbeiter des Organisationsteams noch nachts nach der Premiere erste Ideen für die Fortsetzung spannen.
Dazu gehörte es, dass Erscheinungsbild zu schärfen. Die Eintracht gestaltete ein Logo, das mit seinem stilisierten Brücken den Laufweg über Rhein und Ruhr symbolisierte. International sollte der Lauf sein und sich von seinen Zeiten her sehen lassen können. Manfred Brucks, der erste Sieger hatte 2:26,36 für den Klassiker benötigt. Ein Jahr später benötige der Pole Jerzey Kowol schon nur noch 2:21 Minuten. Der Franzose Jean-Pierre Corchon lief mit 2:16, 55 bereits 1983 eine Zeit, an der sich viele in Duisburg die Zähne ausbissen.
In den Medien etablierte sich der Rhein-Ruhr-Marathon schnell. Und wie es so ist, wenn Sport aufhört, nur ein Ereignis zu sein, sondern auch an Wettkampf-Wert gewinnt, die Journalisten suchten vor allem nach Antworten auf drei Fragen: Wird der Streckenrekord geknackt? Wie viele Teilnehmer können wir melden? Wie viele Zuschauer sind an der Strecke. Keine Frage, auch die Randgeschichten fanden immer Beachtung, die Promi-Staffel im Jahr 1983 zum Beispiel, an der sich auch Oberbürgmeister Josef Krings und 800-Meter-Weltmeister Willi Wülbeck beteiligten. Im Mittelpunkt aber stand in der Eintracht-Zeit oft das Zahlenspiel. Gute Neuigkeiten gab es immer wieder zu berichten. Von Jean-Pierre Crochons aus dem Jahr 1983 großartigem Lauf deutlich unter 2:20 war hier schon die Rede.
Auch die Teilnehmerzahlen stiegen stetig. 1983 waren es erstmal mehr als 1000. Zwei Jahre später schon über 2000. 1986 erreichte man sogar 3110 Läuferinnen und Läufer. Einen deutschen Sieger gab es da ebenfalls wieder. Edi Kaul aus Neuwied, der mit 2:18,18 Stunden das Rennen gewann. Dass der Deutsche Leichtathletik-Verband 1987 seine Titelkämpfe nach Duisburg vergab, darf man getrost als eine Art Ritterschlag sehen. Über 3800 Starter setzten eine Rekordmarke, die nie wieder erreicht wurde, jedenfalls wenn man nur die Starter zählt, die über die vollen 42,195 Kilometer laufen.
In hohem Maße hatte sich der Lauf nun auch zum einem Ereignis für die Stadt entwickelt: Die Polizei schätzte 1987 satte 130.000 Zuschauer an der Strecke. Guido Dold wurde übrigens Deutscher Meister, den Gesamtsieg trug der Franzose Ancel Reges davon. Das Prinzip eines Doppelstarts, der die Läufer erst nach 3000 Metern wieder zusammen führte, klappte sehr gut. Das Fußball-Fachmagazin "kicker" spendierte dem Rhein-Ruhr-Marathon eine ganze Seite. Alles bestens oder was?
Das Jahr 1987 (mit dem Zwischenhoch der Universiade 1989) führte die Organisatoren auch an einen "Scheideweg", wie die Rheinische Post schrieb. Die erwartete Bestmarke von 4000 Teilnehmern wurde verpasst, der Streckenrekord ebenfalls. Gleichzeitig hatte die Veranstaltung eine Größe angenommen, die mit ehrenamtlichen Kräften nicht mehr zu bewältigen war. Duisburg spielte in der Liga der Großen mit. Der Etat hatte sich inzwischen auf satte 300.000 Mark erhöht. Der Marathon bewegte viele Menschen, aber auch viel Geld.
Das hatte Nachteile: Weil die finanziellen Mittel geringer waren, zog man nicht selten im Bemühen um internationale Spitzenläufer gegenüber dem fast zeitgleich stattfindenden Berliner Rennen den Kürzeren. Selbst bei den Deutschen Meisterschaften verzichteten die Besten. Wegen der WM in Rom oder weil man mit Titeln an der Ladenkasse weniger kaufen kann als mit einer satten Sieg- oder Antrittsprämie anderen Orts. Dazu passt in gewisser Weise die Geschichte des Kenianers Benson Kamau.
1988 sollte er den Streckenrekord brechen. Vor dem Start wollte er sich noch schnell durch Verhandlungsinitiative sein Honorar aufbessern. Die Eintracht winkte ab und tat gut daran: Kamau stieg nach 28 Kilometern aus. An einem stürmischen Tag war ihm die Puste ausgegangen. Der Sieger Jan Huruk verpasste bei Böen von bis zum 80 Kilometern den Streckenrekord um 16 Sekunden. Ein bisschen besseres Wetter und Teamleiter Heribert Mannebach, hätte sehr glücklich sein können an diesem Tag. Stattdessen musste er sich als Schlichter betätigen. Ancel Reges, der Sieger des Vorjahres, berichtete bei der Pressekonferenz, einer der drei Polen, die Jan Huruk nach vorn laufen ließen, habe ihm in Homberg bei Kilometer 25 ein Bein gestellt. Der so beschuldigte wies wütend jeden Verdacht von sich.
Inzwischen war der Rhein-Ruhr-Marathon jedoch keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Journalisten übten sich in einer vierten Frage an die Eintracht: "Was macht ihr nächstes Jahr?" 1987 hatte Heribert Mannebach geantwortet: Er müsse darüber erst einmal zwei Wochen nachdenken. Über mangelnde Unterstützung durch die Stadt hatte er geklagt. 1988 tastete der Rückgang der Teilnehmerzahl auf unter 3000 und der erneut verpasste Streckenrekord am Prinzip des "Schneller, Mehr und Besser" heftig an. Erstmals seit der Gründung waren weniger Läufer am Start als im Jahr zuvor.
Ein Großereignis vertagte freilich die Diskussion. Duisburg rettete die Universiade. 1989 übernahm die Stadt kurzfristig die Studentenweltspiele. Ein Großereignis für die Stadt, zu dem auch der Auftritt der erstklassigen Leichtathleten gehörte. Mit im Universiade-Programm: der Marathon. Da lag doch nichts näher, als das Rhein-Ruhr-Rennen mit dem offiziellen Wettkampf über die 42,195 Kilometer zu verbinden. Wer anders als die Eintracht war in der Lage ein solches Rennen fach- und sachgerecht zu veranstalten?
Umstellungen waren jedoch notwendig. Einen Monat früher, im hochsommerlichen August ging es auf die Strecke. Man verabschiedete sich aus dem Sportpark Wedau und ging mit Start und Ziel in die City. Der Einsatz lohnte: 150.000 Zuschauer an der Strecke, dazu die Bestzeiten der Universiade-Sieger Tibor Baier (2:14,33) und Irina Bogacheva aus der UdSSR (2:35,09).Ihre Zeiten haben durchaus Ewigkeitswert. Wohl nie mehr wird in Duisburg ein Sieger so schnell im Ziel sein.
Eine barfüssige Inderin sorgte für internationales Kolorit, der Täuschungsversuch eines Nachwuchsläufers, der die Strecke abkürzte und so überraschend frühzeitig im Ziel war, machte Skandal. Der Rhein-Ruhr-Marathon sorgte für Schlagzeilen. Und doch, das Ende der Ära dämmerte heran. Die Eintracht kündigte ihre Rolle als Veranstalter. Das Team war an die Grenzen der Belastbarkeit gestoßen. Der ungleiche Zweikampf mit Berlin war nicht mehr zu gewinnen. 1990 fiel der Rhein-Ruhr-Marathon aus. Die Szene klagte: Es fehlte ihr das etablierte Rennen im Westen. Duisburg entdeckte, dass es ohne Marathon eigentlich nicht so recht leben wollte. 1991 war der Marathon wieder zurück.
Unter dem Slogan "Er läuft wieder" suchte man das Comeback. Die Organisatoren blieben die Gleichen, als Veranstalter aber trat jetzt die Duisburger Werbe- und Touristik GmbH, eine städtische Tochter, auf. Den Zuschuss erhöhte das Rathaus auch gleich auf 90.000 Mark. Mit 2500 Läufern gelang sogar eine leichte Steigerung gegenüber 1989. Als dann 1992 aber wenig mehr als 1500 Frauen und Männer an der Startlinie auf der Landfermannstraße standen, zeichnete sich ab, dass die Wiederbelebung nur schwerlich gelingen würde.
Als die Siegerzeit des Mendeners Jan Weyts über 2:20 Stunden lag, war endgültig das Ende einer Ära gekommen. Da war auch Pech dabei, denn der dem als sicheren Sieger eingekaufte Michael Heilmann war unterwegs gestürzt. Der Berliner hatte danach aufgeben müssen. Ein Jahr zuvor hatte der ebenfalls als Rekordmann eingekaufte Brasilianer Filho vor allem Kusshände ins Publikum geworfen und kam nur als Vierter ins Ziel.
Das Wort von Bürgermeister Friedel Genender "Kein Jahr mehr ohne Rhein-Ruhr -Marathon" hatte sich sehr schnell als überholt erwiesen. Das Eintracht-Team stieg nach 1992 erneut aus. Die Stadt verzichtete auf die gerade erst übernommene Rolle als Veranstalter. Das erste große Kapitel Rhein-Ruhr-Marathon war zu einem Ende gekommen.
Dennoch beschreibt es eine Erfolgsgeschichte: Das Erlebnis Universiade wäre ohne die Tradition nicht möglich gewesen. Die Platzierung im Sportkalender der Stadt und der Stellenwert, den das Großereignis besitzt, ist ohne den Einsatz von Heribert Mannebach, Erich Fuchs, Klaus Ludwig oder Günther Schneider stellvertretend für viele andere Mitwirkende des Organisationsteams - nicht denkbar ,
Die Duisburger Forschungen beschäftigen sich in einem Band mit den Medaillen des Rhein-Ruhr-Marathons. Allein der Mut, mit 8000 Mark eine Tradition ins Leben zu rufen, verdient Respekt und Anerkennung.
Und noch etwas darf nicht aus dem Blick geraten. Ein neues Kapitel begann 1995 mit der Wiedergeburt des Rhein-Ruhr-Marathons. Dass sich Enthusiasten fanden, die dieses Sportfest für die ganze Stadt erneut aus der Taufe hoben, wäre ohne das positive Gefühl gegenüber dem "alten" Rhein-Ruhr-Marathon und ohne die Wertschätzung für das Geleistete nicht denkbar gewesen. Vieles kommt zu einem Ende. Und das war es dann auch: Das "Ende" des Rhein-Ruhr-Marathons war lediglich eine Pause, weil Wertvolles nicht verloren gehen durfte.
1993 war also kein Marathon-Jahr. 1994 auch nicht. Sicher, ein paar Enthusiasten liefen die Wegstrecke am Duisburger Marathon-Tag in stummen Protest ab. Der Gedanke, dass die Stadt ein Großereignis dieser Art braucht, verlief sich gleichwohl nicht. Was noch fehlte: Jemand, der die Dinge in die Hand nahm. Die fanden sich beim Bier. Während einer Party. Jörg Bunert, der sich mit Volker Dorn gern und oft einen Zweikampf um den Sieg in der Duisburg-Wertung geliefert hatte, sprach vom guten König Pilsener leicht befeuert mit Uwe Busch, dem Geschäftsführer der Stadtsportbundes. Über alte Zeiten und gute Tage redeten sie, über den Rhein-Ruhr-Marathon, und dass er der Stadt irgendwie fehle. Am Ende des vergnüglichen Abends stand ein schlanker Satz: "Wir machen das."
Der Rhein-Ruhr-Marathon ging wieder auf die Strecke. Mit starken treibenden Kräften. Der Stadtsportbund hatte bereits die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft im Hallenhockey ausgerichtet hatte, sich als Organisator des Trimmfestivals und der Ruhr-Olympiade seine Sporen verdient. Uwe Busch wusste, wie man Massen bewegt. Karl Weeke, sein Vorsitzender, besaß die Gabe, Sponsoren und Entscheidungsträger von Dingen, die ihm am Herzen lagen, zu überzeugen. Jörg Bunert, inzwischen auch Geschäftsmann, kannte die Läuferszene und brachte den LC Duisburg, Deutschlands größten reinen Laufclub, mit ins Team.
Damit war mehr als nur ein Anfang gemacht. Das Ziel lag jedoch nach wie vor nicht in greifbarer Nähe. Der Rhein-Ruhr-Marathon sollte auf Dauer angelegt sein. Das Projekt selbst durfte kein Kurzstreckenrennen sein. Es war auch mit Blick auf die Nachhaltigkeit als Marathon geplant. Das verlangte nach einem tragfähigen Konzept, dass die Kräfte der "Wieder"-Geburtshelfer nicht überspannte. Auch und gerade nicht die finanziellen Möglichkeiten.
Gute Ideen lagen praktisch auf der Straße: Der Lauf sollte einen Richtungswechsel vornehmen, weil das einfacher für die Teilnehmer ist und der schöne Duisburger Süden gerade dann erreicht wird, wenn es den Marathonis besonders schwer fällt, wenn "der Mann mit dem Hammer" kommt, wie sie den Durchhänger beschreiben. Den Start verlegte man zurück in den Sportpark Wedau. Für den Zieleinlauf dachte man sich einen Knüller aus: Im Stadion sollten die "Helden der Langstrecke" ihren ganz persönlich Sieg feiern können, bejubelt von den Zuschauern auf der Haupttribüne. So etwas konnte kein anderer Marathon bieten.
Diese beiden Maßnahmen zeigten bereits, wohin der Zug fahren sollte: Die Interessen der Jedermänner und Jederfrauen sollten mehr in den Mittelpunkt rücken. In einen schlanken Slogan gegossen: "Ein Lauf von Läufern für Läufer". Mit diesen Charaktereigenschaften konnten sich auch die Sponsoren wie ThyssenKrupp, Haniel, die Sparkasse, die König-Brauerei, Sinalco/Rheinfelsquelle und damals auch NWG-Gebäudereinigung anfreunden. Einer der Glaubensgrundsätze lautet: "Wir kaufen keine teueren Stars ein."
Der zweite: "Wir wollen, dass sich auch der Letztplatzierte in Duisburg so wohl fühlt, dass er gern wieder kommt." Diese Ideen zeugten nicht nur von Gutwillen. Sie waren auch eine Lehre aus den Erfahrungen, die die Eintracht machen musste. Die Finanzkraft des Rhein-Ruhr-Marathons und auch andere Gründe reichten nicht aus, damit das heimische Rennen am Markt mit den großen Läufen wie Berlin, Frankfurt oder Hamburg konkurrieren konnte. Diesen Wettbewerb musste man verlieren. Gewinnen aber konnte man, wenn das neue Konzept sich eine Nische suchte, sich auf den Breitensport konzentrierte, dabei Kosten sparte und Sympathien gewann. Dazu passte auch das neue Logo, das der Mülheimer Künstler Peter T. Schulz entwickelte. Fröhlich freundlich macht es seit 1995 auf das Rennen aufmerksam und genießt inzwischen auch den Schutz als eingetragenes Markenzeichen.
Aus dem Fragenkatalog der Journalisten wurde der Satz gestrichen: "Gibt es eine neue Bestzeit?" Ersetzt wurde er durch die Bitte um einem Kommentar von der Frau oder dem Mann, der irgendwann nach vier Stunden ins Ziel kam: "Wie hat es ihnen in Duisburg gefallen?" Die Antworten lauteten immer: "Sehr gut. Es hat Spaß gemacht."
Diese Neuorientierung, von den Geldgebern ausdrücklich mitgetragen und begrüßt, führte zu Veränderungen mit besonderer Wirkung. Die Startzeit wurde auf den frühen Sonntagmorgen verlegt. Das finden die Teilnehmer angenehmer. Damit allerdings verlor sich die Chance, mehr Bürgerfeste an die Strecke zu holen. Sie waren ein Markenzeichen des "alten Rhein-Ruhr-Marathons". Etwa 70.000 Zuschauer an der Strecke verzeichnet man regelmäßig. Nicht so viel wie die Nachmittags-Rennen, aber doch eine beachtliche Zahl für einen Sonntagvormittag.
Überregional ließ die Berichterstattung nach. Keine Kenianer, keine Spitzenzeiten, keine Schlagzeigen. Die Organisatoren antworteten knapp: Kein Problem! Hauptsache, die Teilnehmer genießen ihren Lauf. Die Sieger kamen jetzt nicht mehr aus Frankreich oder Polen, sondern aus Duisburg. Winnie Spanaus vom heimischen ASV Duisburg gewann gleich zweimal die Männer-Konkurrenz. Bei den Frauen war 1995 und 1996 Bärbel Halfmann vom TV Walsum nicht zu schlagen. Jörg Bunert muss das ein wenig komisch vorgekommen sein, denn: So oft er beim Rhein-Ruhr-Marathon auch dabei war, zum Gesamtsieg hatte es nie gereicht, weil das gegen die bezahlte Konkurrenz nicht möglich war.
Jetzt organisierte er ein Konzept, dass auch ihm Siege möglich gemacht hätte. Volker Dorn, in den Vorjahren ebenfalls "nur" als Gewinner der Duisburg-Wertung in den Schlagzeilen, konnte 2005 endlich mal als Allererster durchs Ziel gehen. In der Siegerliste steht nun nicht mehr Polen, Frankreich oder Ungarn, sondern TuS Deutz (Carsten Breitenbach, 1997,1998), ASV Duisburg, Ruhrorter TV oder ART Düsseldorf (Salvatore diDio, 2001).
Doch auch das neue Konzept kostete viel Geld. Die Läufer brauchen Verpflegung, freuen sich über ein Finisher-T-Shirt, die Strecke muss abgesperrt werden, fast 1000 Helfer sind im Einsatz und, und, und... Allzu gut war auch noch in Erinnerung, wie sehr die Finanzen über Erfolg und Zukunft mit entscheiden. Die neuen Organisatoren sprachen 1995 beim Neustart von Freude und Begeisterung bei den Läufern. Einer der Journalisten, die zuhörten, fragte trocken: "Wie viele Teilnehmer braucht man, um den Etat zu decken?" Der Funke Enthusiasmus sprang offenbar nicht gleich beim ersten Zünden in der Medienrunde über. Die Sorge, dass es nicht zum Dauerlauf Rhein-Ruhr-Marathon reichen könnte, war (noch) zu präsent.
Gleich beim Wiederbeginn 1995 bewies die Mannschaft jedoch: Wir haben es im Griff. Die Bieridee machte auch Spaß, wenn man nur Sprudelwasser trinkt. Ohnehin galt es nüchtern, die Lage zu bilanzieren. Die Teilnehmerzahl am Marathon allein pendelte sich bei etwas mehr als 1800 ein. Größere Felder ließen sich nur durch eine Erweiterung des Angebots erreichen. Ab dem Jahr 2000 gingen die Inliner auf den Rundkurs. Ab 2002 kam auch der Halb-Marathon mit ins Programm.
Keine ungewöhnliche Entwicklung. Auch andere Veranstalter dieser Art hatten sich so neue "Märkte" erschlossen. Bereits 1997 hatten die Organisatoren einen Zeitsprung vorgenommen. Um den neuen Köln-Marathon aus dem Weg zu gehen, verlegte Duisburg seinen Termin ins Frühjahr. Zusätzlichen Werbewert bescherte die Ausrichtung der Deutschen Meisterschaften im Jahr 2000 und 2003. Den Fun-Faktor erhöhten die Samba-Rhythmen. Bands am Straßenrand bringen mit beschwingtem Takt die Läufer auf Spur.
Neu im Programm sind auch die Schülerläufe am Samstag vor dem Marathon-Sonntag. Nachwuchs zu werben, damit kann man nicht früh genug beginnen.
Bei aller Freude, der Stadtsportbund und sein Team müssen auch weiterhin die Konkurrenz im Blick behalten. Den attraktiven Frühjahrs-Termin haben sich auch Düsseldorf für seinen Rhein-Marathon und Essen für den Ruhr-Marathon ausgeguckt. Die beiden deutlich höher bezuschussten Rennen werben ebenfalls um die Langlaufenthusiasten. Wie sehr, das zeigt ein Blick auf die Teilnehmerstatistik. Nach 5800 Läuferinnen und Läufern im Jahr 2006, meldeten ein Jahr später knapp 7400 Ausdauerfreunde in Duisburg. Einer der Gründe: Essen hatte seinen Lauf absagen müssen. 2007 standen dann in Duisburg wieder nur 4700 Frauen und Männer an der Startlinie. Seitdem bewegen sich die Teilnehmerzahlen zwischen 5000 und 6000.
Unübersehbar bei allen Aufs und Abs: Die neue Organisation entwickelte den Rhein-Ruhr-Marathon zu einem Dauerlauf. Die Eintracht hatte zusammen mit der Stadt nach 11 Auflagen das Handtuch geworfen. Der Stadtsportbund geht mit dem LC Duisburg in diesem Jahr in seine 18. Veranstaltung. Duisburg behauptet sich im Feld der Mitbewerber aus Köln, Düsseldorf und Essen. Die Veranstalter dürfen sich über die guten Kritiken der Läuferinnen und Läufer freuen, die immer wieder zurückmelden, wie gut es ihnen an Rhein und Ruhr gefallen hat. Jörg Bunert bilanziert: "Unser Konzept kommt an und wir haben unseren festen Platz im Laufsportkalender."
Missverständnisse kommen zwischen Spaß und Sport dennoch vor. Vor einigen Jahren passierte ein afrikanischer Läufer einen der Verpflegungsstände und griff statt zum isotonischen Getränk versehentlich nach einem Becher mit Sangria. Ob er besonders beschwingt die nächsten Kilometer gelaufen ist, ist nicht bekannt.